Schwebender Raummesser im Albertinum
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Die in Backnang geborene Künstlerin Ursula Sax geht mit ihren Installationen auf die Besonderheiten der Räume ein. „Raummesser UX35“ heißt die Installation in leuchtendem Gelb im neuen Lichthof des Albertinums in Dresden. Ursula Sax, die 1935 in Backnang geboren wurde, in Sechselberg und Weissach im Tal aufwuchs und heute in Radebeul bei Dresden lebt, setzt sich damit auf ihre Weise mit der Architektur dieses Raumes auseinander, der nach dem großen Elb- Hochwasser 2002 entstand. Ein Hof zwischen zwei Gebäuden wurde überdacht, um darüber Depotund Werkstatträume unterzubringen. Von Ingrid Knack
Mit ihrem Raummesser geht Ursula Sax auf die spitzen und stumpfen Winkel des Lichthof- Grundrisses ein. Mit einem Stahlseil wurde das knapp 22 Meter lange Objekt diagonal zwischen den Längswänden des 17 Meter hohen Innenhofs aufgehängt. Ein Aluminium-Vierkantrohr ist die Mittelachse des Ganzen, durch diese läuft das Seil. Der Körper der Form ist aus Styrodur, das mit Schleiernessel kaschiert ist. Beim Theater werden so Requisiten gebaut. Das Kunstwerk "durfte nicht zu schwer werden, es wiegt 150 Kilogramm", sagt Ursula Sax. Der Direktor der Galerie Neue Meister, Professor Dr. Ulrich Bischoff, will die Arbeit am 16. April öffentlich vorstellen. Eine andere Arbeit mit dem Titel "Orbis Terrarum" aus Packpapier, die aus dem Jahr 2008 stammt und ebenfalls in Gelb gehalten ist, wurde von der Sammlung erworben. Auch diese wird am 16. April übergeben.
Die künstlerische Vita der Schwäbin begann bereits mit einer kleinen Sensation: Als sie 15 Jahre alt war, wurde sie an der Stuttgarter Kunstakademie aufgenommen. Ihr Vater war nach dem Zweiten Weltkrieg Schulleiter der Dorfschule in Unterweissach. Ihre beiden Schwestern gingen in die Oberschule in Backnang, in diesem Gebäude befindet sich heute die Galerie der Stadt Backnang. Ursula Sax: "Ich, als die Jüngste, durfte das nicht. Als nach dem Kriegsende der Schulunterricht wieder begann, wäre der Wechsel dorthin für mich dran gewesen. Mein Vater bestimmte, dass ich bei ihm zur Schule gehen sollte -- eine Art home-schooling -- wie man heute sagt." Ganz offensichtlich war sie bei ihm in guten Händen. Das Fundament für den Weg an die Kunst- Akademie war solide gebaut. Ursula Sax' Schwester Uta sollte übrigens später Schauspielerin werden und zum Beispiel in der Rolle der Cleopatra an der Seite von Paul Verhoeven als Julius Caesar in der Fernsehfassung von George Bernard Shaws "Caesar und Cleopatra" zu sehen sein oder mit Hanns Lothar in "Wir machen Musik". Eine ihrer Spätrollen ist die der Mutter Nastassja Kinskis in Wolfgang Petersens legendärer Tatort-Folge "Reifezeugnis".
Ursula Sax ging zunächst an der Stuttgarter Kunstakademie in die Vorklasse für Bildhauerei, die von Karl Hils geleitet wurde. Kurze Zeit war Bildhauer Otto Baum ihr Lehrer und dann der Maler Willi Baumeister. Als sie 21 Jahre alt war, zog es sie nach Berlin, in Westberlin lebte sie insgesamt 40 Jahre lang. An der dortigen Hochschule für Bildende Künste ging Ursula Sax in die Klasse von Professor Hans Uhlmann, der selbst Stahlskulpturen herstellte. "Bei ihm konnte man in Eisen arbeiten und schweißen. Später entstanden eine Reihe von Arbeiten im Öffentlichen Raum, die wurden dann von Firmen ausgeführt, nach meinen Modellen und unter meiner Kontrolle."
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Ein umfangreiches Oeuvre kam über die Jahre zusammen. Das größte Werk von Ursula Sax wurde im Jahr 1992 aufgestellt. Die Stahl-Skulptur mit dem Titel "Looping" steht in Berlin am Avus- Messegelände und wiegt 55 Tonnen. Sie ist 19 Meter hoch und 50 Meter breit. Das im Duktus eines schwingenden Seils daherkommende gelbe Rohr mit einem Durchmesser von einem Meter hat eine gesamte Länge von 130 Metern. Die zweitgrößte Arbeit von Ursula Sax ist der Raummesser im Albertinum in Dresden. Ein Künstler, der solche Formate an derart exponierten Stellen realisieren darf, kann sich glücklich schätzen. Dass die Wahl auf Ursula Sax fiel, weist auf die künstlerische Liga hin, in der sie spielt.
Die einstige Meisterschülerin bei Professor Hans Uhlmann bekam 1960 ein Stipendium des Kulturkreises im Bundesverband der deutschen Industrie, 1963 erhielt sie den Villa-Romana-Preis -- Florenz, 1970 den Will-Grohmann-Preis, 1974 den Kunstpreis der Böttcherstraße -- Bremen und 1979 bis 80 das Stipendium Cité des Arts -- Paris. Zweimal hatte sie eine jeweils ein Jahr dauernde Gastprofessur an der Hochschule der Künste in Berlin, dann folgten zwei ordentliche Professuren in Braunschweig und Dresden (C4-Professur auf Lebenszeit). Seit 1960 macht sie mit Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland auf sich aufmerksam.
Ursula Sax hat sich mit den unterschiedlichsten Materialien und Themen auseinandergesetzt, große und kleine Skulpturen gehören genauso zu ihrem Werk wie Papierarbeiten, Masken, Luftkleider, Windobjekte oder Porzellanarbeiten. Oder die Arbeiten, in denen sie sich mit grafischen Mitteln mit dem Phänomen Zeit auseinandersetzt. Wer sich für all das Zeit nimmt, wird auf eine inspirierende, zum Teil vergnügliche Reise in die Welt der Kunst mitgenommen.
Von Ingrid Knack, Backnanger Kreiszeitung